Kommentar zu Cat Power, The Sequence, Evolution and Geometry, Crop Circle.


Meine ersten Texte über Kornkreise schrieb ich auf englisch, weil die einzigen Magazine zu diesem Thema, der "Cereologist" und der "Circular", in England erschienen. Anfang der neunziger Jahre war ich häufiger in England, um nach aktuellen Luftaufnahmen von Kornfeldfiguren zu suchen, die mir als Vorlage für meine Zeichnungen dienen sollten. So lernte ich 1994 in Cornwall die damalige Herausgeberin des "Circular" (das Magazin des Centre for Crop Circle Studies) Barbara Davies kennen, die mich bat, einen Text zu schreiben über meine Zeichnungen und meine Art, diese anzuordnen und zu interpretieren.

Ende des Jahres begann ich mit einer losen Sammlung von Texten, die ich "Dragontexts" nannte (nach dem ungefähren Aussehen einer von mir arrangierten Reihe aus den 27 ersten englischen Kornfeldfiguren) und die im nächsten Jahr im "Circular" veröffentlicht wurden. Der erste Text, "Cat Power", eine prosaische Abhandlung über die Schwierigkeit, Kornkreise zu erklären, ist der einzige, der unverändert blieb, "The Sequence" und "Evolution and Geometry" sind Teile der originalen Texte, die ich herausnahm und später für mein Buch "Shape and Geometry" umschrieb. Der Text "Crop Circle" war ursprünglich als Vorwort für dieses Buch gedacht, aber wegen der umständlichen Entwicklung seines Gedankenganges liess ich ihn später zugunsten eines anderen Textes fallen.

Alle vier Texte sind geprägt von meiner damaligen Faszination für Kornfeldfiguren als kollektives Gesamtkunstwerk ohne erkennbare Urheber. Allerdings schiesse ich in allen Texten über den Grundgedanken der Kunst, die hier mal nicht als eine Ware daherkommt, weit hinaus und lande bei einer aus heutiger Sicht unberechtigten Darstellung der Kornfeldfiguren als Kommunikationsversuch einer nicht-menschlichen Intelligenz, ohne zu begreifen, dass es eben diese mentale Verkleidung der Kornkreise war, die sie dann wieder zu einer Ware machten, die sich hervorragend als Foto, als Buch oder als Aufdruck auf Kleidungsstücken verkaufen liess. Ich selbst hatte damals durch die Veröffentlichung meiner Zeichnungen Anteil an dem Geschäft, aber ich war naiv genug zu glauben, dass hinter den Kornfeldfiguren wirklich eine Bedeutung stehen könnte, die den ganzen Zirkus irgendwann rechtfertigen würde.

Die Veröffentlichung meiner Zeichnungen und Texte in den oben genannten Magazinen bescherte mir schnell den seltsamen Status eines "Kornkreis-Experten", einfach deswegen, weil ich unter den wenigen, die damals Zeichnungen der Kornfeldfiguren anfertigten, die meisten gemacht hatte, und eben weil ich die Erwartungen der kleinen englischen Leserschaft mit meinen Interpretationen der Figuren als eventuell ausserirdische Zeichen bediente. Kornkreis-Experte wurde man zunächst nicht, weil man viel über Kornkreise wusste, sondern weil man die Kreise als Zeichen deuten konnte. Damit begann meine Exkursion in eine jahrelang andauernde intellektuelle Verirrung, die mir anfänglich aber noch viel Spass machte. Die Kornfeldfiguren wirkten auf mich wie eine sanfte mentale Droge, die mich die Welt in einem anderen, interessanteren Licht sehen liessen und mir dazu noch halfen, mein Ego zu füttern. An den Preis, den jede Droge fordert, dachte ich noch lange nicht.

© 2005 wolfgang schindler