ZEITVERZERRUNG

BERICHTE VON HISTORISCHEN KORNKREISEN UND ÄHNLICHEN ERSCHEINUNGEN


Die zwölf Schwäne

In grauer Vorzeit war ein Bauer, der hatte drei Söhne. [...] Nun einmal war mit Regen und Sonnenschein dem Bauern das Jahr reich gesegnet gewesen, und besonders sein Weizen, der stand, dass es eine Pracht war. Jeden Morgen ging er hin zu dem Acker und weidete seine Augen an dem goldgelben Korn. Da war eines Morgens etwas davon niedergetreten, eine kreisrunde Fläche. Den Bauern überkam der Zorn, aber als er näher zusah, da war er doch mehr verwundert. Denn der Weizen war niedergetreten und auch doch nicht niedergetreten, so als wäre es nur von ganz leichten Füßen gewesen, und was bedeutete die kreisrunde Fläche? Als er bei Mittagessen davon erzählte, da sagte der älteste Sohn: "Das Rätsel wollen wir bald auflösen." Und er ging am Abend hin zu dem Acker und hielt sich wach. Es war nicht lange danach, dass die Uhr von dem nahen Kirchturm elf geschlagen, da zog ein Unwetter herauf mit Donner und Blitz und Regen, als wollte der Himmel bersten und es graute dem Jungen und er lief nach Hause. Am anderen Tag war wieder so ein Schaden am Korn, da wachte abends der zweite Sohn, aber es ging ihm nicht anders als dem ältesten. Da saß am dritten Abend Hans, so hieß der Jüngste, an der selben Stelle. Die Glocke hatte wieder kaum elf geschlagen, da ward der Himmel pechschwarz. Und dann brach ein Gewitter los mit Flammenblitzen und Donnerkrachen, als sollte die Welt untergehen. Aber Hans hatte sich zusammengeduckt und saß, wie ein Stein liegt, und hielt aus.

Es schien, als wollte das Unwetter kein Ende nehmen, aber zu guter Letzt verzog es sich doch. Die Sterne kamen wieder durch und der Himmel leuchtete von großer Klarheit. Und fern erhob sich ein leises Rauschen wie von Flügelschlägen, und unter dem Himmel kamen zwölf weiße Schwäne geflogen, die liessen sich herab auf das Weizenfeld. Die Schwäne, nun in zwölf Jungfrauen verwandelt, trugen weiße Obergewänder; die legten sie ab. Und sie hoben ihre schneeweißen Füße im Spiel und tanzten auf und tanzten nieder im Kreis umher, so wunderfein und wunderleicht Ð ja, es waren keine Geister, denn die Halme bogen sich unter ihren Füßen bis zur Erde und öfter knackte einer und brach. Aber waren es wirklich noch Menschen, die so schweben konnten? Eines der weißen Gewänder lag nicht weit von dem Jungen. Er hatte aber früher von seiner Großmutter gehört, welche Macht ein Mensch gewänne, der das Gewand einer Schwanenjungfrau an sich brächte. [...]

(Auszug aus "Die Zwölf Schwäne", in: "Der Dummhannes: Deutsche Volksmärchen für Kind und Haus", Wisser, Ernst, Erich Wewel Verlag, Kreiling, 1948.)


Ein angenehm warmer Tag ohne eine Wolke am Himmel

"An einem Sommertag des Jahres 1946 befand ich mich auf einem Botengang von Wellspang nach Süderfahrenstedt. Ich hatte die gepflasterte Straße nach Böklund genommen und war dann auf der Anhöhe einen Kilometer nördlich von Wellspang nach links auf den nach Süderfahrenstedt führenden Feldweg abgebogen. Es war ein angenehm warmer Tag ohne eine Wolke am Himmel, zudem war es auffällig windstill. Als ich den Feldweg entlang ging, kam ich zu einigen Feldern, die ein wenig höher lagen als die restliche Umgebung. Plötzlich bemerkte ich ein schwaches, pfeifendes Geräusch und ein leichtes Schwanken in den Büschen am Feldrand. Ungefähr fünfundzwanzig Meter zu meiner Linken sah ich dann eine drei Meter breite Luftsäule, welche gegen den Uhrzeigersinn rotierte und Staub und Pflanzenteile bis zu einer Höhe von ungefähr achtzehn Metern empor wirbelte. Nur ein bis zwei Sekunden später erhoben sich vier kleinere Luftsäulen in Intervallen von neunzig Grad um die mittlere Säule herum; diese waren nur anderthalb Meter breit und mit ihren Rändern ungefähr zwei Meter vom Rand der Hauptsäule entfernt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich diese Säulen im Uhrzeigersinn drehten. Die von meinem Standpunkt aus hinten links entstandene Säule fiel fast sofort wieder in sich zusammen, aber die anderen drei wuchsen sehr schnell empor, bis sie die Höhe der mittleren Säule von ungefähr achtzehn Metern erreichten. In dieser Höhe begannen die Enden aller vier Säulen wild umher zu schwanken, bis sie sich zu einer einzigen turbulenten und sich ausdehnenden Säule vereinigten, welche von meinem Standpunkt aus gesehen mit einer Neigung zur Senkrechten von ungefähr zwanzig Grad nach rechts bis zu einer Höhe von mindestens achtzig Metern weiter empor wuchs. Ab dieser Höhe waren die nach oben gewirbelten Pflanzenteile zu weit entfernt, um erkennbar zu bleiben.

In diesem Moment begann ein frischer Wind in die Richtung des Wirbels zu wehen - anscheinend aus allen Richtungen. Ich bahnte mir einen Weg durch das Korn (ich meine, dass es Hafer war), um nachzusehen, und ich fand einen großen und drei kleinere scharf abgegrenzte Kreise aus umgelegtem Korn, die in ihren Durchmesser und Positionen den jeweiligen Staubwirbeln entsprachen. Jeder Kreis besaß in seiner Mitte einen Kegel aus stehendem Korn, welches lose umeinander gedreht war. Der kollabierte Wirbel hatte nur einen sehr schwachen Abdruck hinterlassen." (Abb. 1)

(Der Bericht des Augenzeugen Henning Lagies über die Entstehung von fünf über Kreuz angeordneten Kornkreisen in Angeln in Schleswig-Holstein. Der heute in Kanada lebende Zeuge war zum damaligen Zeitpunkt elf Jahre alt.)




Die verlorenen Kinder

"Es war am Morgen des 1. Mai 1984. Der mit uns bekannte Schleusenwärter der Ruhlsdorfer Schleuse holte mich und meinen Nachbarn Bernd Stengel aufgeregt zu einer Besichtigung auf seine Wiese. Dort zeigte er auf ein Muster im hohen Gras (laut beigefügter Skizze ein großer und ein kleiner Kreis, die durch einen auf beide Mittelpunkte zulaufenden Pfad verbunden waren). Er war felsenfest der Ansicht, die Wildschweine hätten auf seiner Wiese "gehaust". Wir sahen recht verdattert drein, denn wir hatten noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Ich hörte ihn noch sagen, dass sein Hund nicht angeschlagen hätte und sich noch immer nicht aus der Hütte wegrühre vor Angst, wegen der Wildschweine. Das könne er sich nicht erklären, weil der Hund sonst nicht ängstlich sei. Die Wiese befand sich innerhalb des Schleusengeländes, war umzäunt und Wild hätte auf jeden Fall den Zaun beschädigt. Als ich das Werk der intelligenten Wildschweine fotografieren wollte, hatte er alles gemäht.

Einige Zeit später befand sich ein Grasmuster auf der noch ungemähten Wiese hinter meiner Waschküche. Ich fand es auf dem Weg von der Arbeit nach Hause mit meiner älteren, damals dreijährigen Tochter Lenka. Die Kreise waren wie ein auf den Kopf gestelltes gleichseitiges Dreieck angeordnet. Die Mittelpunkte der unterschiedlich großen Kreise waren ungefähr acht Meter voneinander entfernt. Der große Kreis war etwa zwei Meter im Durchmesser, der mittlere etwa 1,20 Meter und der Durchmesser des kleinen Kreises betrug cirka achtzig Zentimeter (Abb. 2). Die Grashalme waren im Uhrzeigersinn gekrängt. Sie waren dürr und von graublauer Farbe.

Gestatten Sie mir, einige eigene Gedanken dazu zu äußern. Zu besagtem Zeitpunkt erinnerte ich mich schwach, in der Nacht zum ersten Mai ein leises Brummen gehört zu haben. Deshalb machte ich mir keine ernsthaften Sorgen wegen der Graskreise. Ich glaubte fest, ein gewitzter Pilot, mit welchem Flugzeug auch immer, hätte das mit einem Magneten oder Ähnlichem gemacht.

Das zweite Grasmuster wurde mir erst nach langem Nachdenken wieder bewusst. Ich kann mich erinnern, sie mir gewünscht zu haben, weil ich die Graskreise des Schleusenwärters so schön fand. Er ließ uns nur auf Sichtweite an sie heran. Deshalb tanzten ich und meine Tochter übermütig in "unseren" Graskreisen herum. Dann wurde auch diese Wiese von einem Mäher der LPG Stolzenhagen gemäht und wir vergaßen den Vorfall. Danach hatte meine Tochter Lenka eine merkwürdige, paranormal anmutende Begegnung, ungefähr dort, wo die Kreise waren. Es war am Wochenende. Sie spielte vor dem Haus und wartete auf den Imker, der seinen Bienenwagen auf unserem Hof stehen hatte. Er kam und sie gingen beide zu den Bienen. Danach fuhr er wieder weg und Lenka blieb am Tor. Ich konnte sie sehen. Sie ging mit gesenktem Kopf über die kleine Wiese und spielte dort noch ein wenig. Ich kochte das Mittagessen. Da kam sie plötzlich aufgeregt zu mir und sagte, ich solle schnell mitkommen, da wären Kinder gewesen und jetzt seien sie weg. Ich ging nur zögernd raus. Warum sollte ich mitkommen, wenn sowieso keiner mehr da ist? Sie sagte immer das Gleiche. Sie lernte erst sprechen und war ganz unglücklich, mir das nicht richtig erklären zu können. Ich glaubte ihr die Geschichte und um sie zu beruhigen, erklärte ich ihr, es wären die "verlorenen Kinder" auf der Suche nach Peter Pan gewesen. Später, als sie ungefähr sechzehn Jahre alt war, sprachen wir ausführlicher darüber.

Sie erzählte mir, dass es fünf Kinder gewesen seien, drei Mädchen und zwei Jungen. Ein ganz kleines Mädchen war dabei, vielleicht zwei Jahre alt, und der älteste Junge war etwa acht Jahre. Die anderen so dazwischen. Sie waren winterlich angezogen und sprachen mit ihr "im Kopf". Der große Junge sagte zu ihr: "Du kannst uns sehen?" Da sagte Lenka: "Ich hole meine Mutti, die gibt euch zu trinken!" Da erwiderte er: "Nein, wir müssen jetzt weg!" Dann sprangen sie über eine imaginäre Mauer und waren verschwunden, so als gingen sie durch eine Nebelwand. Als sie mir damals die Stelle zeigte, war die "Mauer" die Rückseite unserer Waschküche. Auch berichtete sie mir von einem eingeschränktem Zeitempfinden. Sie sagte, es wäre auf einen Schlag Nacht gewesen. Deshalb war das Kind damals so aufgeregt.

Jetzt, nach so langer Zeit und wo wir mehr darüber wissen, kann ich mir nur erklären, dass Lenkas Gehirn sich auf die Energie der Kreise eingeschwungen hatte und diese Wahrnehmungen auf ihr erweitertes Bewusstsein zurückzuführen waren. Vielleicht hat es Zeitverzerrungen dort gegeben und Lenka sah stromernde Kinder, die irgendwann einmal dort entlang gelaufen sind oder es noch werden. Das erklärt auch, warum die Kinder mindestens so erschrocken waren wie Lenka, als sie sie sahen. Ich weiß, daß sie sich dort stets sehr einsam gefühlt hat und vermute, dass ihr Wunsch, mit anderen Kindern zusammen zu sein, diese Materialisation produzierte. Sie tat es ganz unbewusst."

(Bericht von Anette Westphal aus Erkner in Brandenburg. 1984 lebte sie mit ihrer Tochter auf dem Gelände eines ehemaligen sowjetischen Hubschrauberflugplatzes nahe der Ruhlsdorfer Schleuse am Finowkanal und arbeitete in der LPG Stolzenhagen. Der Schäfer Bernd Stengel hat nach eigenem Bekunden in den frühen achtziger Jahren häufiger Kreise aus spiralig flachgelegtem Gras in seinen Weiden in der Gegend um Ruhlsdorf gefunden.)



Ein Pfad ohne Ende

In einem wunderschönen abgelegenen Tal lebten Eshkebug und seine Eltern. So weit war es bis zum nächsten Dorf, dass er auf seinen Jagdzügen noch nie einen fremden Menschen getroffen hatte. Doch Eshkebug war zufrieden, denn die Bäume, Blumen, Vögel und Tiere waren ihm Gefährten wie Brüder. Er lebte in Einklang mit seiner Welt, jagte nur soviel Wild, wie sie für den Hunger brauchten, und vergaß nie, ein Gebet für das Wesen zu sprechen, das sein Leben für das Wohl seiner Familie geopfert hatte. Mit dem frühen Mannesalter kam die Rastlosigkeit und Eshkebug begann seine Jagdzüge immer weiter auszudehnen, obwohl er nicht hätte sagen können, weshalb.

Eines Tages stieß er er weit von zu Hause weg auf eine Lichtung im Wald. Er ließ seine Augen aufmerksam über die Lichtung schweifen, vom fichtenbestandenen Rand bis auf den mit weichem Gras bewachsenen Grund. Gerade vor ihm waren die Gräser niedergetreten und zeigten eine deutliche Spur. Eshkebug wunderte sich. Welches Tier konnte solch eine Spur machen?

Er kniete nieder und sah, dass die Spuren von kleinen Mokassins herrührten. Nur mühsam konnte er seine Erregung beherrschen. Er folgte den Fußspuren und kam nach einer Weile wieder an dieselbe Stelle zurück. Er hatte die Lichtung ringsherum in einem Kreis umrundet. Dieser Pfad war ein Kreis. Es war ein Pfad ohne Ende.

In der Mitte des Kreises waren Blumen und Gräser niedergedrückt und die Erde hatte eine Vertiefung. Staunend untersuchte Eshkebug die große flache Mulde und versuchte, sich ihr Entstehen zu erklären. Kein Tier trug Mokassins oder hatte so viele Füße und auch noch alle in verschiedener Größe! Dennoch schien ein riesenhaftes Tier öfters in der Mitte des kreisförmigen Pfades zu schlafen. Eshkebug kannte kein Tier von solcher Größe Ð der leibhaftige Großvater aller Bären! Er bückte sich und untersuchte den Abdruck, und wiederum konnte er sich nur ratlos am Kopf kratzen.

Eine schwache, wiederkehrende Melodie hüllte Eshkebug ein. Wie verzaubert erhob er sich und sah sich um, und wieder schwoll die Musik an und ab, kam näher. Von Westen, hoch in der blauen Himmelskuppel, kam ein Sternenblitz, ein Funkeln in der Nachmittagssonne. Langsam, federgleich, schwebte ein Himmelsfahrzeug herunter. Es schwebte langsam sinkend immer näher an die Lichtung heran, in der Eshkebug stand.

Aus Furcht vor den übernatürlichen Kräften, die solch ein Schiff haben musste, aber auch neugierig, versteckte Eshkebug sich in den Büschen und sah zu, wie das Schiff, von ätherischer Musik eingehüllt, sich in der Senke in der Mitte des Kreispfades niederließ. Als das Fahrzeug sich wie eine gigantische Muschel, denn so sah es aus, auf seinen Ruheplatz senkte, sprenkelte die Sonne seine schwach schimmernden Seiten mit einem Muster aus Blättern und Fichtennadeln. Die Musik verstummte. Das Oberteil öffnete sich langsam und enthüllte das prächtige Innere des Schiffes. Fröhliches Lachen umschwirrte den staunenden Eshkebug.

Zehn Jungfrauen entstiegen dem Schiff, eine schöner als die andere. Sie spielten mit einem Ball, der so schillerte wie das Schiff, warfen ihn hoch und fingen ihn wieder auf. Sie tanzten mit kunstvoll umschlungenen Schritten auf dem Pfad im Kreis herum, voller Anmut und Geschmeidigkeit wie junge Hirsche. So verzaubert war Eshkebug, dass er in seinem Versteck blieb und zusah, wie sie lustig plaudernd im Gras saßen, Blumen pflückten und einander Kränze flochten. Endlich ihres Spieles müde, erhoben sich die Mädchen und stiegen zurück in ihr Schiff.

Langsam schloss sich das Oberteil und die Mädchen sangen wieder die Melodie, die ihre Ankunft angekündigt hatte. Das Fahrzeug schaukelte, hob sich ab vom Boden und schwebte nach oben in die länger werdenden Schatten der beginnenden Abenddämmerung. Es verschwand in den Himmeln.

Eshkebug ging heim und erzählte von dem seltsamen Himmelsfahrzeug und seiner Fracht von jungen Frauen; seine Eltern wunderten sich und in seiner Mutter erwachten Erinnerungen an alte Geschichten, die ihre Familie erzählt hatte. Während Eshkebug tief und ruhig schlief, saß sie noch lange am Feuer, aber ihr fiel nicht mehr alles ein, so dass sie sich schließlich mit einem vagen Gefühl der Unruhe und einer Vorahnung zu Bett legte. [...]

(Aus "Und Manitu erschuf die Welt: Mythen und Visionen der Ojibwa", Johnston, B., München, 1984.)


Furcht und Verwunderung

"Im Jahr 1633-34, kurz nachdem ich in die Oberstufe der Lateinschule in Yatton Keynal gekommen war, wurde unser Kustos Mr. Hart eines Nachts von diesen Elfen oder Feen geplagt, als er in der Dämmerung über die Hügel ging und einem Feentanz nahekam, wie ihn die Einheimischen dieser Gegend nennen und damit die grünen Kreise meinen, die von solchen Geistern im Gras gemacht werden, und er eine unzählbare Menge von Zwergen oder sehr kleinen Leuten rundherum tanzen sah, wobei sie sangen und alle möglichen seltsamen kurzen Laute von sich gaben. So war er sehr erstaunt und gleichwohl nicht fähig, wie er sagt, davonzulaufen, weil er seiner Vermutung nach in einer Art von Verzauberung gehalten wurde. Kaum hatten sie ihn bemerkt, da umringten sie ihn schon von allen Seiten, und in seiner Furcht und Verwunderung fiel er hin, kaum wissend, was er tat; daraufhin zwickten ihn die kleinen Geschöpfe überall und machten dabei die ganze Zeit ein schnelles, summendes Geräusch; doch schließlich verliessen sie ihn und als die Sonne aufging, befand er sich inmitten eines dieser Feentänze. Diese Erzählung hörte ich von ihm wenige Tage, nachdem er so gequält wurde; aber als ich und mein Bettkamerad Stump kurz darauf nachts zu den Tänzen auf den Hügeln gingen, sahen wir keine der Elfen oder Feen. Aber es wird tatsächlich gesagt, dass sie selten denjenigen erscheinen, die nach ihnen suchen."

(Auszug aus John Aubrey's "Natural History of Wiltshire".)


Fünf Geschichten von seltsamen Geschehenissen in Zusammenhang mit Kreisen im Gras oder in Getreide. Zwei davon sind Märchen, drei sind Augenzeugenberichte aus erster oder zweiter Hand (1), aber alle beschreiben Kreise aus der Zeit vor dem öffentlichen Bekanntwerden des Kornkreisphänomens. Ob sie auch Kornkreise im heutigen Sinne beschreiben, sei dahingestellt, es wird beim Lesen aber schnell klar, dass damals wie heute die mysteriösen Kreise am Anfang einer Kette von genauso geheimnisvollen Ereignissen bei den jeweiligen Zeugen standen.

Nur bei einer der fünf Geschichten ist das nicht der Fall, und zwar in dem eher technisch anmutenden Bericht von Henning Lagies. Der Junge sieht auf seinem Weg über das Land fünf stationäre Wirbelwinde, die augenscheinlich Kreise in ein Haferfeld legen. Das Einzige, was neben der erstaunlichen Beobachtung von fünf in Harmonie auftretenden Luftsäulen noch ungewöhnlich erscheint, ist ein "schwaches, pfeifendes Geräusch und ein leichtes Schwanken in den Büschen am Feldrand", das aber, so mag der Leser vermuten, auch von den Wirbelschleppen der ersten Luftsäule verursacht sein könnte. Das Entstehen der Kornkreise ist ansonsten zwar ein höchst seltenes, aber objektiv nachvollziehbares meteorologisches Ereignis; der Betrachter (2) steht aussen am Feldrand und merkt sich Durchmesser, Abstände und Neigungswinkel.

Die pubertären Protagonisten der beiden Märchen "Die zwölf Schwäne" und ein "Pfad ohne Ende" haben mehr Vergnügen beim Beobachten der vermeintlichen Ursachen ihrer Kornkreise. Es steigen leicht bekleidete "Jungfrauen" vom Himmel; einmal sind es zwölf, einmal nur zehn (3), aber beide Male reicht ihr leichtfüßiger Reigen aus, um einen Kreis in das Korn, respektive in das Gras zu legen. Natürlich sind die Kreise nach dem Erscheinen der himmlischen Schönheiten unwichtig geworden, denn letztere versprechen die gleiche Mischung aus Erotik und Macht, wie sie in so vielen Märchen als Gleichnis für die schamanistische Verbindung zwischen Mensch und Kosmos beschrieben wird und deren matter technokratischer Abglanz heute noch beispielsweise in James Bond-Filmen als Hintergrund für männliche Allmachtsphantasien herhalten muss.

In den dünn besiedelten Landstrichen nördlich von Berlin, der damaligen Hauptstadt der DDR, scheinen eher Gefühle der Ohnmacht und der Einsamkeit durch die Kornkreise verstärkt zu werden. Auf und nahe dem Areal eines verlassenen Hubschrauberflugplatzes der Roten Armee leben ein Schäfer, ein Schleusenwärter und eine junge Frau mit ihrem kleinen Kind. Die Kornkreise werden von allen Bewohnern gesehen, aber ihre Ungewöhnlichkeit führt zu keiner tieferen Verbindung zwischen den Zeugen. Der eine beschuldigt verhaltensgestörte Wildschweine und lässt sofort die Wiese mähen, der andere schweigt und denkt sich seinen Teil und Mutter und Tochter dürfen die ersten Kreise nicht einmal betreten. Später bekommen sie "eigene" Kreise, aber auch die werden schnell gemäht und das Kind gerät kurze Zeit darauf in eine zeitlose, traumartige Realität, die ihm von der besorgten Mutter als ein Teil eines bekannten Märchens erklärt wird.

Das Leben verläuft meist nicht wie in Märchen oder Filmen und der gute Kustos der Lateinschule von Yatton Keynal stolpert auf seine alten Tage nicht über Jungfrauen, sondern über einen Haufen im Kreis tanzender Zwerge. Es ist anzunehmen, dass er nachts von den Zwergen nicht mehr sah als ihre kleinen Laternen, so dass sich ihm die ganze Szenerie als ein Wirbel aus zahllosen kleinen Lichtpunkten dageboten haben mag. Als er in diesen Wirbel hineingerät, spürt er ähnliche Schmerzen, als hätte er in eine Steckdose gefasst, aber Steckdosen gab es 1633 noch nicht. Seine Erzählung inspiriert den Erzähler (4) und seinen Bettgenossen Stump zu einer eigenen erfolglosen Suche nach den Elfen, die zu der pragmatischen Erkenntnis führt, dass es die Suche selbst ist, die das Finden der Elfen unmöglich macht. Auch das Komplementaritätsprinzip der Quantenmechanik war zu der damaligen Zeit nicht bekannt, es wird hier aber auf eine poetische Weise vorweggenommen.

So weit, so gut. Ich habe diese Geschichten nicht nur zusammengestellt und interpretiert, weil ich mit ihnen belegen will, dass Kornkreise schon vor 1978, dem Jahr der ersten bekannteren Fotografie eines Kornkreises, gefunden wurden. Dafür fanden sich bisher weltweit schon genügend Hinweise, deren einzige Schwierigkeit bezüglich eines eindeutigen Belegs für die Existenz von Kornkreisen vor 1978 darin besteht, dass in ihnen der Begriff "Kornkreis" in keiner Sprache vorkommen kann, da dieser Begriff erst nach 1978 geprägt wurde. Wir können heute nicht mehr wissen, ob Worte wie "Feentanz" oder "Hexenring" und deren Entsprechungen in anderen Sprachen auch damals Pilzerkrankungen der Gräser auf den Weiden bezeichneten oder ob es lokale wie temporäre Abweichungen in der Bedeutung dieser Begriffe gab. Frei nach Wittgenstein lässt sich die Bedeutung eines Wortes nicht finden, wenn man seinen Gebrauch nicht kennt (Für Fotografien gilt dasselbe).

Obwohl es spannend war, trotzdem nach einem historischen Beleg zu suchen, nahm ich andere, auf den ersten Blick nebensächlich erscheinende Gemeinsamkeiten aller Geschichten zum Anlass, sie nebeneinander zu stellen. Zusammengefasst bestehen die Gemeinsamkeiten in der einfachen Tatsache, dass der auf dem Erdboden gefundene kreisförmige Bereich bei seinen fast immer alleine agierenden Besuchern eine Folge von unerklärlichen Ereignissen auslöst, die oft mit starken Emotionen verbunden sind. Allen Kornkreisbesuchern gerät der Boden unter ihren Füßen ins Wanken, ob nun metaphorisch oder im Wortsinn. Die jungen Söhne verlieben sich und verlassen im Strudel der Ereignisse ihre Familien, das einsame Kind begegnet Spielkameraden, die nicht bleiben wollen, und der Kustos fällt wirklich hin und bleibt bis zum Sonnenaufgang liegen. Nur Henning Lagies bleibt merkwürdig unbeeindruckt von seinem Erlebnis, obwohl er an anderer Stelle zugibt, dass er in den Tagen danach seltsame kleine "Regenbögen" durch die Felder fliegen sah, denen er neugierig nachlief, bis die Bauern es ihm verbaten.

Mir scheint, dass das relative Unwissen über die Entstehung der Kreise zusammen mit dem Wunsch, es in ein vergleichbares Wissen zu verwandeln, dazu führt, dass die seltsamsten Ereignisse (5) stattfinden müssen, damit diese Ereignisse trotz ihrer Unerklärbarkeit und wegen ihrer aus dieser eigenen Unerklärbarkeit folgenden mythischen Anmutung eine Brücke zwischen den Kreisen und der eigenen bekannten Welt bauen können. Letztenendlich bildet sich diese Brücke deshalb, weil schon immer einmal irgendwann irgendwo irgendwer beispielsweise von der Macht eines Schwanenjungfrauengewandes zu berichten wusste oder einem Anderen die Windstille eines Sommertages bemerkenswert erschien oder die "verlorenen Kinder" eines oft erzählten Märchens die märchenhafte Realität begründen konnten oder die Mutter des Helden mit einem vagen Gefühl der Unruhe und einer Vorahnung schlafen ging oder aber "tatsächlich gesagt wird, dass sie selten denjenigen erscheinen, die nach ihnen suchen".

Mein Gefühl sagt mir, dass es heute nicht anders ist. Kornkreise laden uns nicht deswegen zu mentalen Happenings mit erbgutgeilen Ausserirdischen oder erfolglosen Londoner Künstlern ein und genausowenig berichten sie uns von der Wirkungsweise elusiver vierdimensionaler elektromagnetischer Felder oder anderen hypothethischen höheren Mächten, weil es ihr mystisch-mythischer Auftrag ist, sondern weil all das einzig und allein unseren eigenen hilflosen Ideen entspringt. In Wirklichkeit sind Kornkreise einfach nur da, egal warum (und da mag es zahllose Gründe und Ideen geben). Mir fällt nur auf, dass aus einer mir selbst unerklärlichen Idee heraus Kreise auf der Erde in vielen Menschen einen seltsamen archaischen Reflex auszulösen scheinen, etwas, das Kreise im Wasser oder in der Luft nicht zu tun vermögen. In der Luft oder im Wasser und passenderweise auch im Feuer kennen wir Kreise oder ringförmige Begrenzungen; sie sind im Fluss, sie bewegen sich und dehnen sich aus, so wie es ihnen von den Brechungsindices und spezifischen Dichten ihrer Medien diktiert wird (Zugegeben: Auch das ist nichts als eine Idee). Auf dem Boden sind uns fixe Kreise fremd, sie dürfen von niemandem gemacht sein, ausser von uns. Wenn wir sie nicht gemacht haben, können wir nicht anders, als uns auf die Suche nach Ursache und Urheber zu begeben. Da wir aber nicht viel finden, denken wir uns Geschichten aus.


1) Nur das erste Märchen hatte schon einen Namen und ich nahm mir die Freiheit, für die anderen vier Geschichten ähnlich prosaisch klingende Überschriften aus Elementen der jeweiligen Texte zu bauen.

2) Henning Lagies hat seinen Bericht mir gegenüber telefonisch bestätigt und ergänzt. Es besteht für mich heute kein Zweifel daran, dass alles in seiner Beschreibung Erwähnte den damaligen Tatsachen entspricht. Henning Lagies sah im Juli 1946 die Entstehung von fünf über Kreuz gelegenen Kornkreisen, bewirkt durch fünf gleichzeitige und symmetrisch angeordnete Wirbelwinde über einem Kornfeld (Henning Lagies weiss heute nicht mehr, ob es wirklich ein Haferfeld war; es könnte auch Roggen gewesen sein). Er ist damit allem Anschein nach der einzige lebende Zeuge der natürlichen Entstehung einer geometrisch angeordneten Kornfeldfigur.

3) In einer nahezu identischen Legende aus dem Gebiet der Algonkin (Die Ojibwa waren ebenfalls ein Algonkin sprechender Stamm) sind es dann auch tatsächlich zwölf "Jungfrauen", die einem himmlischen "Korb" entsteigen. Ob es sich dabei um dieselben zwölf Wesen handelt, die als Schwäne auf einem schleswig-holsteinischem Feld niedergehen, ist natürlich nicht bekannt. Genausowenig ist bekannt, in welcher Zeit die Märchen entstanden sind. (Das Märchen von den "zwölf Schwänen" wurde Ernst Wissers Vater Wilhelm im neunzehnten Jahrhundert in Schleswig-Holstein erzählt; wann die Legenden der Algonkin aufgeschrieben wurden, habe ich nicht erfahren.) Die Zahl zwölf taucht allerdings weltweit seit Jahrtausenden im Zusammenhang mit Kreisen auf, einfach deshalb, weil sich ein Kreis unter Zuhilfenahme eines Lineals und eines Zirkels relativ einfach in zwölf Sektoren aufteilen lässt.

4) Es ist mir nicht klar, ob John Aubrey, der spätere königliche Topograph von Charles II, selbst diese Geschichte von seinem Kustos erzählt bekam oder ob er sie später aus zweiter Hand erfuhr. John Aubrey lebte von 1626 bis 1697 und ob ihm das damalige englische Schulsystem erlaubte, schon siebenjährig in die "Oberstufe" ("grammar") einer Lateinschule zu kommen, weiss ich nicht. Bisher konnte ich keinen Nachdruck der "Natural History of Wiltshire" einsehen.

5) Diese Ereignisse sind für sich genommen noch rätselhafter sind als die Kreise selbst, aber sie tragen oft das Motiv einer kreisenden Bewegung in sich, welche meistens als Handlung von mysteriösen und durchaus zu bewusstem Handeln fähigen Wesen (als da sind Zwerge, Elfen, als Schwäne oder in Körben durch die Luft reisende Jungfrauen oder hypothetische Hubschrauberpiloten) beschrieben wird.


Abbildung 1: Schema im Maßstab 1: 200 der mutmaßlichen Anordnung der Kreise vom Sommer 1946 in einem Haferfeld in der Nähe von Wellspang, Angeln, Schleswig-Holstein. Die Kreise passen gut in einen einfachen pentagonalen Rahmen.

Abbildung 2: Schema im Maßstab 1: 200 der mutmaßlichen Anordnung der Kreise vom Mai 1984 auf einer Wiese nahe der Ruhlsdorfer Schleuse in Brandenburg, DDR. Die Durchmesser der Kreise stehen zueinander in einem auch auf ihre trianguläre Anordnung beziehbaren pentagonalen Verhältnis.


© 2003 wolfgang schindler (updated märz 2006)

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